Dieses Logo wurde mittels einer Umfrage 2021
von Biebertaler Bürger/innen im Zuge eines Dorfentwicklungsprozesses ausgewählt.
Um mehr Transparenz in gemeindliche Prozesse zu bringen, die häufig von Seiten der Politik nicht (gut) kommuniziert und damit den Bürgern unbekannt sind, lesen Sie; denn, wie schon in der Nachricht zum Thema angekündigt: das wunderliche Ende kommt am Schluss.
Hier geht es also darum, die langen, für die Bürger am Ende teuren, Wege der Entscheidungen darzustellen.
Mit den Vorgaben des integrierten kommunale Entwicklungskonzeptes (IKEK) der Dorfentwicklung soll das kommunale Handeln mit bürgerschaftlichem Engagement ausgerichtet werden.
Dazu ist ein vorgeschriebener Prozessverlauf einzuhalten, um einerseits zu konkreten Projektideen und andererseits zu Förderanträgen zu kommen.
Das Logo ist, nach dem >Leitfaden zur Erstellung eines integrierten kommunalen Entwicklungskonzepts< für die Dorfentwicklung (früher Dorferneuerung) das Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landes-entwicklung, ein Aspekt der zu entwickelnden Identifikation der Bürger mit ihrer Kommune, also der Entwicklung einer Corporate Identity der Gesamtgemeinde Biebertal.
(Damit wird, wenn wir es kritisch betrachten, das eingeschlossen Mitgemeinte und unhinterfragte wirtschaftliche Denken auch im politischen Handeln erkennbar, das inzwischen nahezu alle Lebensbereiche durchdringt und Wertefragen zum Gemeinwohlhandeln oft außen vor lässt.)
Bürger haben vielfältige Wünsche an ihr Gemeinwesen.
In Königsberg z.B. soll das Familienzentrum renoviert und ausgebaut werden; Krumbach benötigt Ersatz für die inzwischen marode Mehrzweckhalle; in Fellingshausen reicht das Kita-Angebot nicht mehr aus; die bisherigen Feuerwehrstützpunkte können bald einer neuen Verwendung zugeführt werden; die Sport- und Spielplätze dürften aktuellen Anforderungen angepasst werden; Radwege müssten erstellt und Wege beschildert werden; die Gesellschaft unterliegt dem demographischen Wandel, so dass passende Angebote für Ältere, aber auch für junge Menschen, geschaffen werden müssen; usw. usw.
Biebertal ist jedoch eine der finanziell chronisch klammen Gemeinden. So sind die Bürgerbelastungen – im Vergleich zu umliegenden Orten – hoch; wir leisten uns dennoch unter anderem – auch für die Region – ein Schwimmbad;
unsere Gewerbesteuereinnahmen sind überschaubar, da immer wieder Unternehmen wegen fehlender Gewerbeflächen abgewiesen wurden; letztlich sind wir eine Flächengemeinde mit weiten Wegen; ……….
So ruhen viele Hoffnungen auf Fördergeldern.
Immer wieder betonte unsere Bürgermeisterin, dass da zum Teil bis zu 85 % der Kosten eines Projektes vom Land Hessen übernommen werden könnten, oder: “das ist Teil der Dorfentwicklung”.
Das IKEK-Programm mit dem dort vorgeschriebene Ablauf ist für eine Gemeinde Bedingung für die Erlangung von solchen Förderzuwendungen durch das Land Hessen – falls die angestoßenen Projekte förderfähig sind, also den gestellten Anforderungen dieses Programms entsprechen.
Daneben können über das IKEK-Programm auch Privatpersonen Gelder für ihr Haus beantragen, wenn ihr Grundstück in dem vom Land ausgewiesenen Fördergebiet liegt, bis 1950 erbaut wurde und nicht charakterlich gravierend verändert wurde. Denn gefördert wird in diesem Bereich das baukulturelle Erbe einer Gemeinde.
Die Fördergebiete sollen im Frühjahr 2022 öffentlich gemacht werden. Sie sind auf Gemeindeebene nicht veränderbar.
Im IKEK-Prozess hatten und haben die Bürger die Möglichkeit, ihre Wunschprojekte für die kommenden Jahre für die Gemeindeentwicklung einzubringen.
So entstand ein bunter Strauß an Ideen zu 5 Hauptthemen:
> Wohnungsangebot / Innenentwicklung
> Jugend-, familien-, seniorengerechtes Biebertal, (siehe dazu einen Ergebnisbeitrag in unseren Nachrichten)
> Gemeinschaftsleben / Infrastruktur
> Wirtschaft und Versorgung
> Freizeitangebot, Naherholung, Tourismus
Offiziell ging es dabei um die Fragen “Wie wollen wir in Zukunft in Biebertal leben?“
Je nachdem, wie ein/e Betrachter/in dann darauf schaut, wurde dies Frage jedoch letztlich nie ernstlich aufgeworfen.
Es wurden zwar Ziele, wünschenswertes und notwendiges abgefragt, aber weder Werthaltungen und ethische Ausrichtung, noch Umsetzbarkeit oder Finanzierbarkeit wurden diskutiert.
Eine Steuerungsgruppe mit Vertretern aus gesellschaftlich relevanten Gruppierungen, die Kommunalverwaltung und ein professionelles Planungsbüro sowie das Referat ländlicher Raum und Regionalentwicklung in Wetzlar begleitete den Prozess – der dann in der Praxis – coronabedingt – zum Teil nicht so öffentlich und bürgernah stattfinden konnte, wie eigentlich geplant.
So wurden vor allem mit Hilfe des eingesetzten Planungsbüros für den öffentlichen Bereich folgende Themenfelder beleuchtet:
> Bestandsanalyse mit Stärken und Schwächen –> Ortsbegehungen führten zu Ortsprofilen mit Stärken und Schwächen
> Leitbild, Handlungsfelder und Entwicklungsziele –> Umsetzungsstrategie – Projektideen zu den Themenbereichen
> Kommunikation, soziale wie technische Infrastruktur, Siedlungsentwicklung, Nahversorgung, Verkehr
> Wirtschaft, Tourismus, Freizeit, Kultur.
> zudem wurde eine online-Jugendbefragung zu deren Bedürfnissen und Erfahrungen in der Gemeinde durchgeführt
Zum anderen bestand die Aufgabe des Planungsbüros formale Abläufe vorzubereiten und zu moderieren:
Wünschenswerte Projekte
Letztlich konnten am Ende dann doch viele Projektideen der Bürger überhaupt nicht in die priorisierten Ziele aufgenommen werden, so dass nur die oberen Ränge in den Genuss eines Förderantrages kommen werden und Chancen auf Realisierung haben.
Insgesamt jedoch kamen bei den von den Bürgern im IKEK-Prozess für wünschenswert gehaltenen Projekten am Ende des Jahres 2021 eine Summe von mehr als 14 1/2 Millionen Euro heraus …
wovon allein für Planungskosten verschiedener Projekt und Machbarkeitsstudien 854.000 € eingepreist sind,
also ohne dass eine konkrete Umsetzung von den wünschenswert angedachten Projekten angegangen wird oder die möglichen Realisierbarkeit oder nachfolgenden Kosten vorab zumindest grob abgeschätzt werden.
All das wirkt zunächst wie das Spielen im Wolkenkuckucksheim aus. Andererseits – ohne Träume und Planungen wird wohl noch viel weniger umgesetzt werden können.
Schon jetzt stehen 1 Million Euro für mögliche, zur Umsetzung gelangende Projekte der Dorfentwicklung im Gemeindehaushalt; neben weiteren größeren Posten: u.a. 6 Millionen Euro für den Erwerb der Räumlichkeiten auf dem ehemaligen Listmann-Areal – für die Tagespflege und die Kita Sternschnuppe – (was im Endeffekt eine schnellere und kostengünstigere Bauentwicklung bedeutet, als wenn die Gemeinde mit ihren langen Entscheidungswegen diese Maßnahme selbst realisiert hätte – Anm. der Redaktion);
zusätzlich wurden 5000.000 Euro (Tippfehler ist aufgefallen: korrekt heißt es 500.000 Euro) für die Erstellung eines Kunstrasenplatzes für 200 Fußballer aus dem Zusammenschluss von 5 Vereinen Biebertals, aufgenommen, usw.
Da fragt man(n und Frau) sich doch etwas beklemmt mit Jupp Schmitz (1949): Wer soll das bezahlen?
Nun, diese alte Musik ist hier nicht von ungefähr ausgesucht.
Denn symbolisch wird da noch einmal klar, was sich der verwaltungstechnisch Unbewanderte erst einmal auf der Zunge zergehen lassen muss: dass der IKEK-Prozess unheimlich viel Zeit beansprucht, viele Leute beschäftigt, viel Geld gekostet hat und somit die Erstellungskosten von allen Projekten in die Höhe treibt – aber alternativlos ist, da die Gemeinde, die chronisch klamm in der Kasse ist, wenn die Gemeinde auf Fördergelder zugreifen will.
Erfahrungen mit in Angriff genommenen Projekten
Solch ein aufwendiger Prozess muss – aus nachfolgender Perspektive – nicht unbedingt Sinn machen.
Beispiel dafür, der aktuelle Bau von Bauhof und Feuerwehrstützpunkt in Rodheim.
Für den Bau eines neuen Feuerwehrstützpunktes Biebertal-Mitte in Rodheim-Bieber überreichte Hessens Kultusstaatssekretär Dr. Lösel der Bürgermeisterin Patricia Ortmann 2018 einen Förderbescheid über 383.000 Euro.
In einer Machbarkeitsstudie von 2016 wurden für den Neubau von Bauhof und Feuerwehrstützpunkt ca. 9,3 Mio Euro geschätzt. 2018 lagen die veranschlagten Investitionskredite dann bei 6.530.160 € und 5.974.690 €, ca. 12,5 Mio Euro.
Mit den aktuellen Kostensteigerungen im Baugewerbe kostet das Gesamtprojekt inzwischen sicherlich etliches mehr. Gerechnet an der Zeitverzögerung und dem sich – im Vergleich zur Gesamtbausumme – lächerlich ausnehmenden Betrag der Förderung, bleiben doch erhebliche Zweifel an derartigem Verwaltungshandeln.
Das Interessante nun zum Schluss
Planungen laufen also bei der Gemeinde nicht, wie im privaten Bereich:
Denn nachdem von der Steuerungsgruppe bestimmte Projekt ausgewählt und für vorrangig wichtig erklärt wurden, werden nun Projektanträge formuliert.
Diese werden jetzt am vorläufigen Ende der ersten Phase des IKEK-Prozesses an das Büro für Dorf- und Regionalentwicklung in Wetzlar zur Prüfung der Förderfähigkeit geschickt.
Gibt es – nach eventuellen Nachbesserungen – von dort grünes Licht, womit die Förderfähigkeit grundsätzlich bestätigt wird, geht der Antrag an die Förderbank für Hessen, die WI-Bank.
Dort wird erneut geprüft und gesehen, ob Geld im Topf ist, der für das beantragte Projekt bewilligt werden könnte.
Bei positiven Bescheid wird das Projekt der Gemeindevertretung vorgelegt, die dann entscheiden muss, ob das Projekt realisiert werden soll. Denn hier bei den gewählten Bürgervertretern liegt die Verantwortung für die Entscheidung, ob die Gesamtkosten, die auch inklusive der Fördergelder am Ende von den Bürgern aufgebracht werden müssen, sinnvoll eingesetzt und letztlich bezahlbar sind.
Gibt es auch hier grünes Licht, kann mit der Umsetzung des Projekts begonnen werden, der Förderantrag kann nun endgültig gestellt werden.
Wenn dann noch Geld im Topf zu Ausschüttung da ist, erfolgt der Förderbescheid und nun erst beginnt die konkrete Planungsphase (incl. Architektenleistung) und die Leistungsphasen für das Projekt beginnen, so dass dann Stück für Stück, europaweite Ausschreibung um Ausschreibung auch die Umsetzung (z.B. Bau) des Vorhabens bis zum Abschluss kommen kann.
Dass all das Zeit beansprucht und – im Vergleich zu privaten Projekten – deutlich anders ist, ist für den Bürger wichtig zu wissen, um keine falschen Erwartungen zu hegen:
Bislang waren jährlich etwa 30 Millionen Euro im Hessischen Fördertopf für die Regionalentwicklung.
Aktuell konkurrieren, laut Abteilung für den ländlichen Raum 18 Kommunen um dieses Geld.
Das heißt ca. 30.000.000 pro Jahr : 18 = 1,6 Mio Euro bleiben da im Durchschnitt für 1 Kommune übrig – für alle Projekte!
Aber die verlockend klingenden Ankündigungen: „IKEK fördert Projekte bis zu 85 %“ sind mit Vorsicht zu betrachten. Prozent beschreibt ja eine Relation, einen Teil von 100 = einem Ganzen; wobei bislang unklar geblieben ist, auf welches Gesamt, also auf welchen 100 %-Betrag sich die Aussagen beziehen.
Was aber sicher ist:
Alles über den Förderbetrag hinausgeht, was die Gemeinde an Entwicklung vorantreiben möchte, wird von den Bürgern aufzubringen sein.
Alles, was nicht erträumt oder geplant wird, wird sich auf keinen Fall realisieren.
Quellen: Gemeinde Biebertal, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, fw-biebertal.de, youtube
Bürgerbeteiligung ist weiterhin gefragt